HÄUFIGE FRAGEN

<strong>Was ist eine fatwā?</strong>

Das Wort „fatwā“ bezeichnet in der arabischen Sprache eine Antwort auf islamrechtliche oder gesetzliche Fragen (1), oder Fragen jeglicher Art (2).

Als der König von Ägypten seine Leute um Rat fragt, benutzt er das Wort fatwā und sagt:

„O ihr führende Schar, gebt mir Auskunft (gebt mir eine fatwā) über mein (Traum)gesicht, wenn ihr ein (Traum)gesicht auslegen könnt.“ (3)

Er benutzt also das Wort fatwā, als eine Antwort auf eine Frage, die nichts mit dem islamischen Recht zu tun hat. Sondern er fragt, um herauszufinden, wie sein Traum zu deuten ist.

Zudem wird das Wort fatwā im Qur’ān auch als „eine Antwort auf islamrechtliche Fragen“ (4) benutzt:

„Sie fragen dich nach den Jungmonden. Sag: Sie sind festgesetzte Zeiten für die Menschen und für die Pilgerfahrt.” (5)

Die Gefährten fragen den Propheten nach der islamrechtlichen Relevanz der Neumonde. In diesem Kontext benutzt Allāh das Wort fatwā, indem Er sagt: „Sie fragen dich nach einer fatwā bezüglich der Neumonde.”

Das Wort fatwā kann also eine Antwort auf jede Art von Frage sein. Die Bezeichnung „Fatwazentrum” bezieht sich also auf die Ansammlung von Antworten auf Fragen im islamischen Kontext.

(1) Al-Mu‘ǧam ’al-awsaṭ (المعجم الأوسط).
(2) ’Usūl ’al Ifta‘ wa ’ādābuhū, Muḥammad Taqī ’Uṯmānī
(العثماني محمد تقي أصول الإفتاء و آدابه).
(3) Sure Yūsuf, Vers 43.
(4) ’Usūl ’al-’ifta’ wa ’ādābuhū (أصول الإفتاء و آدابه).
(5) Sure al-Baqara, Vers 189.
<strong>Sind alle Antworten auf Fatwazentrum eine fatwā?</strong>

Nicht alle Antworten auf Fatwazentrum stellen eine (weitergeleitete) fatwā dar.

Viele Antworten beziehen sich auf zwischenmenschliche Themen und stellen eher einen Rat oder eine Orientierung dar (1.1).

Hier bemüht sich Nureddin Yildiz Lösungen für Probleme und Konflikte zu finden, die verschiedene Bereiche des Lebens betreffen (z. B. familiär, sozial, gesundheitlich) und versucht in Form eines erfahrenen, älteren Glaubensbruders Orientierung anzubieten.

Auch gibt es längere Antworten, die als Briefe bezeichnet werden, da sie meist sehr persönlich und emotional sind (1.2). Auch diese Antworten sind eher Ratschläge und keine fatāwā.

Darüber hinaus gibt es auch Fragen, die islamrechtlich relevante Themen darstellen (1.3).

(1.1) Beispiel-Fatwā
(1.2) Beispiel-Fatwā
(1.3) Beispiel-Fatwā

<strong>Ist die Weitergabe einer fatwā an Dritte gleichzustellen mit dem Erteilen einer fatwā?</strong>

Wir haben oben festgestellt, wer befugt ist eine fatwā zu erteilen und wer nicht.

Da es jedoch nicht für jeden möglich ist, mit einem muftī in Verbindung zu treten, ist es erforderlich, dass fatāwā weitergeleitet werden. Dafür sind Plattformen sehr geeignet, die es sich zum Ziel setzen, als Vermittler zwischen dem muftī und dem Laien zu agieren. Dabei hat vor allem das Internet viel ermöglicht, was früher undenkbar gewesen wäre.

Die Weitergabe einer fatwā, ist also nicht gleichzusetzen mit dem Erteilen einer fatwā. Beispiel:

Eine E-Mail wird elektronisch mit dem Computer verschickt. Dabei ist der Computer nur das Mittel zum Zweck und nicht der Verfasser der elektronischen Nachricht.

<strong>Wer kann eine fatw</strong><strong>ā</strong><strong> erteilen</strong><strong>?</strong>

Es gibt viele Bücher, die von Gelehrten der verschiedenen Fiqh-Schulen verfasst wurden. In diesen Büchern wurde festgelegt, was vorausgesetzt wird, um fatāwā erteilen zu können. Da hier jedoch versucht wird kurz und knapp auf diese Frage zu antworten, werden die Details in den jeweiligen Bücher nicht erwähnt.

Jemand, der eine fatwā erteilen kann, wird muftī (مفتي) genannt. Ein muftī ist, um es sehr einfach zu beschreiben, eine in den verschiedenen islamischen Lektionen tief bewanderte Person. Vorausgehend ist ein intensives und langwieriges Studium der Religion, besonders im fiqh (فقه) und die Erlaubnis von einer höheren Instanz fatāwā erteilen zu können. Heutzutage gibt es islamische Fakultäten oder Institutionen, in denen ein muftī auf hohem Niveau ausgebildet und dann mit dem Titel muftī ausgezeichnet werden kann.

Ein wichtiger Punkt, den unsere Gelehrten hier betonen, ist, dass ein muftī neben einer tiefgehenden islamischen Lehre auch viel praktische Erfahrung sammeln muss. Hierbei verbringt er die dafür notwendige Zeit (bspw. 10 Jahre) bei einem ermächtigten Gelehrten. In der Zeit erlebt er hautnah, wie ein Gelehrter in unterschiedlichsten Situationen auf bestimmte Art und Weise fatāwā erteilt. Diese praktischen Erfahrungen sind erforderlich, denn es ist nicht ausreichend nur theoretisch bewandert zu sein. Vergleichbar ist das mit einer Fahrschule, die Schülern erst nach erfolgreichem Abschluss der praktischen Prüfung den Führerschein ermöglicht. So ist es einem muftī nicht möglich fatāwā zu erteilen, solange er keine praktischen Erfahrungen sammeln konnte.

<strong>Was ist ein Idschtihad?</strong>
Idschtihad (arabisch اجتهاد, DMG iǧtihād) bedeutet, durch ein außerordentliches Bestreben ein islamisches Urteil von den gegebenen Beweisen zu schließen.

Definition laut Duden:
„Im Islam das juristisch-theologische Prinzip zur individuellen Meinungsbildung in Rechtsfragen, die nicht im Koran und im Hadith geklärt sind.“ (Quelle: Duden)

Jemand der Idschtihad (DMG ’iğtihād, arab.: اجتهاد ) betreibt, wird Mudschtahid (DMG muğtahid, arab.: مجتهد) genannt. Der Mudschtahid findet also ein Urteil für ein Thema im islamrechtlichen Kontext, in dem er alle relevanten Beweise sammelt und sie nach einer gründlichen Untersuchung nach der Methodologie der islamischen Normenlehre (أصول) bewertet. Von dieser Definition wird deutlich, dass ein Mudschtahid in vielen Bereichen sehr gut bewandert sein muss. Ein „gewöhnlicher“ Gelehrte kann keinen ’iğtihād betreiben. Der Mudschtahid ist um einige Stufen höher anzusehen.

Auf die Diskussion, ob die Tür zum Idschtihad noch offen ist, kann gesagt werden, dass der grundsätzliche Idschtihad nicht mehr vorhanden ist, da die Gelehrten in den ersten Jahrhunderten die Themen des fiqh zuvor untersucht und bewertet haben. Dadurch sind verschiedene Rechtsschulen entstanden, von denen sich die islamische Weltengemeinschaft (DMG umma, arab.: أمة) durch viele Jahre hinweg auf vier geeignet hat. Die Vorreiter dieser Rechtsschulen werden als absolute Mudschtahids angesehen. Diese vier Gelehrten sind Imam Abū Ḥanīfa, Imam Mālik b. Anas, Imam aš-Šāfiʿī und Imam Aḥmad ibn Ḥanbal رحمة الله عليهم جميعا.

Der Idschtihad in konkreten Angelenheiten ist aber immer noch möglich, da mit der Zeit immer mehr Fragen zu neuen Themen aufkommen. Beispielsweise sind wird durch technologischen Fortschritt mit Dingen konfrontiert, die vorher nicht bekannt waren. So ist es von großer Wichtigkeit, dass es Gelehrte gibt, die in diesen neuen Themen ihren Idschtihad betreiben können. Auch hierbei wird sich auf die Arbeit der vorangegangenen Gelehrten gestützt. Es wird also kein Idschtihad von Grund auf erbracht.

Daher kann zusammenfassend gesagt werden, dass der absolute Idschtihad zwar nicht mehr möglich, der Idschtihad in konkreten Angelegenheiten jedoch noch durchaus relevant ist.