islamische Jugend

Ein Leitfaden an Jugendliche, die sich für die da‘wa ins Zeug legen möchten

Frage:
Möge Allah mit Ihnen zufrieden sein und Ihnen beim Erreichen Ihrer Ziele Erfolg geben. Wenn ich meinen Zustand mit der Zeit vergleiche, an dem ich anfing Ihren Vorträgen anzuhören, bin ich Allah dankbar, dass Er mich mit der Gnade des Islam segnete und Sie als Anlass dafür auserwählte. Obwohl ich so viele Jahre lang unter einer muslimischen Bevölkerung lebte, lernte ich den Islam erst in Deutschland kennen. Dahinter steckt für mich Allahs unendliche Weisheit.

Schaue ich auf mein 19-jähriges Leben zurück, so bin ich im Ungewissen, ob ich den wahren Islam zu spät kennengelernt habe oder nicht. Ich habe solch einen Enthusiasmus in mir, dass ich manchmal den Wunsch habe, ein überaus langes Leben führen zu können. Ich möchte den Genuss beim Gebet (salâh), die Freude bei der Andacht an Allah (dhikr) und die Leidenschaft, den Menschen einen Dienst erweisen zu können, durchleben. Wenn ich auf jene schaue, die Ihren Trost bei anderen Dingen suchen, als bei Allah, fühle ich Trauer und Dankbarkeit zugleich …

Ich bin nach Deutschland ausschließlich zur Verwirklichung meiner weltlichen Ziele gekommen, die sich nicht nach den Erwartungen Allahs richteten. Jedoch habe ich solch eine Gnade erfahren und diese Gnade war so umfangreich, dass ich trotz guter Absicht einige Fehler beging. Ich wollte mich immer dem Weg der Rechtschaffenen anschließen. Ich wollte die Werte meines Glaubens ausleben und ihnen gerecht werden. Ich wollte meinem Glauben an Allah und meinem Ziel, in meiner Ergebenheit und mit all meiner Kraft, jedem seiner Anordnungen Folge zu leisten, gerecht werden und in mein Leben eingliedern. Ich folgte seinem Gesandten – Friede und Segen seien mit ihm – und Allah ermöglichte mir dies durch Sie.
In Zeiten der Unwissenheit hörte ich ständig Musik und dachte mein seelischer Zustand würde sich dadurch beruhigen. Allah jedoch, wandelte alle Gnaden (ni‘ma), die ich falsch nutzte, in Gutes (khair). Diese sind das Internet und das Smartphone … Jeden Tag hörte ich mir Ihre Vorträge, wie eine Art therapeutische Maßnahme an und liebe Sie nun für Allah. Um das Morgengebet (salât as-subh) in der Moschee beten zu können, muss ich einen Fußweg von ca. 40 Minuten gehen. Während dieser Zeit höre ich mir immer Ihre Vorträge an, um vor den Einflüsterungen (waswasa) des schaytân fernbleiben zu können. Normalerweise wollte ich diesen Text vor sieben Monaten verfassen. Seit dem Tag, an dem ich mir die ungefähre Übersetzung des Qur’ân anhörte, hat sich meine Begeisterung, Allahs Diener zu sein, nicht geändert. Reifer zu werden und den Islam in seiner Ganzheit zu verstehen, war jedoch wie Treppensteigen. Ich fühlte die Bedeutung von „Mein Herr (rabbî)” in meinem Herzen. Ich wurde bereichert und ich möchte diesen Reichtum der gesamten Menschheit widmen. Ich habe Ihnen immer von Weitem gefolgt. Ich hoffe mein Herr ermöglicht es mir, Sie einmal persönlich kennenzulernen. Mein einziger Fokus ist nun, wie ich dieses von Allah anvertraute Leben, Ihm widmen und am Ende auf erfüllte Weise übergeben kann. Allah lässt niemanden leben, ohne ihn geprüft zu haben. Er prüft jeden auf bestimmte Weise. Mein Vater stellte sich mir immer in den Weg. Zu sehen, wie er sich nahezu anbetungswürdig dem Weltlichen hingibt, erfüllt mich mit Trauer. Wenn mein Herz doch nur das empfinden würde, was das Herz Ibrâhîms – Friede sei mit ihm – empfand, damit ich ebenfalls Tränen vergießen kann. Es wäre nicht auszuhalten, wenn Allah es nicht befohlen hätte. Aber ich muss mich dazu zwingen, meinen Vater zu lieben.
Ich bin verschiedenen Aktivitäten nachgegangen. Ich habe so gut es geht versucht, eine Zusammenkunft mit jungen Geschwistern zu organisieren. Ich habe meine wahre Berufung gefunden und eigenständig angefangen Projekte zu starten.
Als ein mu’min beschreite ich auch steinige Wege. Ich möchte ein mu’min sein, der Sorgen hat, jedoch weiß ich nicht, was das Leben noch mit sich bringen wird. Der schaytân brachte meine Glaubenswerte ins Wanken, aber ich vertraute auf Allah und konnte mich wieder fangen. In all dem Enthusiasmus begang ich Fehler. Ich wollte mit meinen Geschwistern sofort alles erobern. Später habe ich folgendes geltende Gesetz von Allah verstanden: Gemeinsam mit der Wahrheit muss ich die naturgebundenen Verfahrensweisen Allahs (sunnatullah) miteinbinden und gebrauchen. Momentan haben wir in der Türkei eine Gruppe, bestehend aus 110 Jugendlichen gegründet. Vom Grunde her sind es alles sehr gute Freunde, aber ich konnte sie nicht genügend motivieren. Die meisten haben Prüfungs- und Alltagsstress. Ehrlich gesagt, möchte ich mich mit meinem ganzen Dasein dieser Sache Dienste erweisen. Ich habe jedoch keine Idee, auf welche Art diese Bemühung für den Islam heutzutage stattfinden muss. In den meisten Ihrer Vorträge, wenn es um das Individuum geht, erwähnen Sie oft die Ortschaft, die Zeit und die Tätigkeit selbst. Ich möchte, dass sich dies in meinen Gedanken festsetzt.

1) Welchen Charakter muss ich zeigen, wenn ich mir diese Mission aufbürde und Zeiten von Kummer und Leid, Freude und Sieg durchlebe?

2) Wie muss die Verbindung zwischen der Hilfe Allahs und der zu ausführenden Tätigkeit sein?

3) Welche Art von Projekt muss ich heutzutage beginnen, um die Zufriedenheit Allahs zu gewinnen?

4) Welche Art von Verhalten muss ich bei allen möglichen Situationen an den Tag legen?

Möge Allah mit Ihnen zufrieden sein. Ich werde Sie immer in meine du‘â’ einschließen.

Antwort:

Mein junger Bruder, der meiner Umma einen Dienst erweisen möchte,

zu aller erst gratuliere ich dir und spreche du‘â’ für dich. Du und ich sind gleich. Welch eine erfreuliche Nachricht!

Mein lieber Bruder,
ich bin genauso wie du auf jene angewiesen, die den Weg zur Hoffnung zeigen. Ich bin wie du. Möge Allah, der Erhabene, dir behilflich sein und es dir ermöglichen, Arbeiten mit seinem Wohlwollen zu tätigen und dir dabei Erfolg geben.

Ich traue mich nicht, dir eindeutige Richtlinien zu geben. Ich kann Empfehlungen geben, die für uns beide geltend sind. Notiere sie auf. Du kannst sie nach und nach umsetzen. Ich hoffe daraus entsteht Gutes für dich und für mich:

  1. Betrachte zuerst deinen eigenen ’îmân und deine Ergebnisse. Wenn du erst selbst gerettet werden musst, kannst du kein Eretter sein. Um es mit den Worten eines hadîth auszudrücken: „Sei nicht wie eine Kerze die dahinschmilzt, während sie versucht Licht zu spenden.”
  2. Wenn du etwas tust, so tue dies kraftgeladen. Wenn du schwach anfängst, kannst du schon nach einer bestimmten Zeit ermüden und Unlust empfinden. Halte deine innere Energie aufrecht.
  3. Suche dir ein Vorbild. Dieses Vorbild soll nicht eine Region oder Denkweise repräsentieren. Vielmehr sollte sich das Vorbild auf der Stufe befinden, repräsentativ für die Gesamtheit der Umma und den Islam zu sein. Folge diesem Beispiel
  4. Halte dich fern von umstrittenen, kontroversen Themen und Auseinandersetzungen, die seit Jahrhunderten andauern. Lauge dich nicht mit kleinen Angelegenheiten aus. Fokussiere dich auf die Mission deines ’îmân. Sammele auf dieser Ebene Geduld und Standhaftigkeit.
  5. Die einzige Bedingung, um am Ende erfolgreich zu sein, ist die Hilfe Allahs. So, wie es nicht möglich ist, ohne Sauerstoff zu überleben, kannst du ohne Hilfe keinen Erfolg davon tragen. Allah jedoch, hilft nur seinen aufrichtigen Dienern. Analysiere deine Aufrichtigkeit (’ikhlâs), passe dich demnach an und orientiere deine Taten daran. Die Herzen sind in den Händen Allahs. Wendet Allah die Herzen, so wenden sie sich zu dir. Ohne deine Aufrichtigkeit wird Allah niemanden in die Richtung lenken, auf die du deutest.
  6. Halte dich nicht mit Zahlen auf. Weder sind Millionen von Menschen viel noch ist eine einzige Person zu wenig. Ist das, was du suchst das Wohlgefallen Allahs, so wisse, dass Allah keinen Wert auf die Anzahl, sondern Wert auf Aufrichtigkeit (’ikhlâs) und Absicht (niyya) legt.
  7. Aufenthalts- und Versammlungsorte haben keine primäre Wichtigkeit. Du bist wichtig. Ob Berge oder Täler, macht für die Mission keinen Unterschied. Der schaytân darf uns nicht mit dem Reiz von Standorten und Umgebungen ablenken.
  8. Vernachlässige auf keinen Fall die du‘â’. Was immer du auch machst, deine Waffe dabei ist die du‘â’. Nicht ein Mal, nicht fünf Mal, sondern zu jeder Zeit solltest du du‘â’ sprechen.
  9. Vernachlässige nicht die ’ibâdât. Selbst, wenn 1000 Menschen mit dem Gebet (salâh) anfangen würden, indem du dein Gebet vernachlässigst, solltest du dieses Gebet in keiner Weise vernachlässigen. Es wäre eine Falle zu denken, man würde seiner Religion einen Dienst erweisen, aber gleichzeitig Zugeständnise in seinen eigenen ‘ibâdât macht.
  10. Die ganze Umma und die ganze Welt. Diese zwei Dinge solltest du vor Augen haben. Sei offen, bleibe nicht lokal, und lasse dich nicht von deinem Umfeld einschränken.
  11. Wehe dir, du fängst etwas an und ignorierst dabei die Vergangenheit der Umma. Der erste und der letzte mu’min werden sich am gleichen Ort und unter den gleichen Bedingungen treffen, so Allah es erlaubt. So eine Umma sind wir. Wir mühen uns ab, damit wir mit Abû Bakr, möge Allah Wohlgefallen an ihm haben, am selben Ort vereint werden.
  12. Du wirst Krieg gegen Unwissenheit (dschâhiliyya) führen. Du wirst ein Wissender.  Wissen heißt:
    Qur’ân;Überlieferungen (’ahâdîth);
    – Verständnis über die praktischen islamischen Regelungen (fiqh);
    – andere Wissensbereiche, die mit dem Islam in Verbindung stehen;
    – alle menschlichen Wissenschaften.
  13. Sehe es nicht als bedeutungslos an, dich zu spezialisieren bzw. ein Fachmann zu werden. Niemand kann sich auf alles spezialisieren. Allah, der Erhabene, hat dir und jedem Menschen ein, zwei oder drei Begabungen in verschiedenen Bereichen mitgegeben. In zwei oder drei Tätigkeitsfeldern begnadete er uns mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Diejenigen, die meinen, alles zu wissen und zu können, sind jene, die bei wichtigen Arbeiten und Zielen ein Klotz am Bein sind.
  14. Wir sind eine Umma, die sich unterenander berät. Ein Vorkommen ohne Beratung (’istischâra), ist kein Vorkommen mit gutem Nutzen für die Gemeinschaft Umma.
  15. Vergiss nicht den schaytân! Bevor du und deine Vorfahren existieren, war er bereits da. Er versuchte schon, bevor wir überhaupt existierten, uns Fallen zu stellen. Lasse ihn ja nicht in Vergessenheit geraten! Er ist älter und stärker als wir. Aber solange wir mit Allah sind, kann er uns nicht beeinflussen. Aber nur dann!
  16. Nun meine letzten Worte an dich:
    Sei geduldig und nicht voreilig!
    Die Zeit tickt für Allah. Es existiert keine Zeit, die sich nach uns richtet.
    Deshalb musst du Geduld haben und darfst nicht voreilig sein.
    Du musst derjenige sein, der arbeitet statt aufzuzählen.
    Verderbe nicht alles, indem du zu voreilig bist!
    Eine andere Möglichkeit als die Geduld gibt es nicht mein lieber Bruder.
    Vergiss auch nicht, diesen älteren Bruder in deine du‘â’ einzuschließen.
    Möge Allah mit dir sein.
    Möge dein Herz voller Zufriedenheit und Freiheit sein. Mögen deine Taten gültig und deine Worte wirksam sein.

Nureddin YILDIZ