Frage:
Ich befinde mich im dritten Ausbildungsjahr zur Krankenschwester. Ich bin eine Person, die gerne liest und lernt, aber ich kann nicht sagen, dass ich dabei sehr erfolgreich bin. Ich weiß nicht, ob es an meinem Ego (nafs) oder an meiner Familie liegt, aber diese Erfolglosigkeit frustriert mich von Tag zu Tag etwas mehr. Alles Lob gebührt Allah, auch wenn es nicht immer klappt, versuche ich meine Gebete (salâh) zu verrichten. Doch wegen meiner Unwissenheit und meiner Faulheit, schäme ich mich vor meinen Herrn zu treten. Wenn ich Gelehrten wie Ihnen zu höre, sage ich mir selbst, „er spricht dich an, du musst lernen, lesen und das Gelernte weitergeben“, aber nach einer Stunde falle ich wieder in gewohnte Muster zurück. Voller Trauer muss ich auch sagen, dass meine Familie eine der Gründe für meine psychische Lage sind. Meine Mutter und mein Vater können nicht lesen und schreiben. Natürlich ist dies der Wille meines Herrn. Deshalb hat die erste Phase meiner Bildung, die durch die Familie verlaufen sollte, nicht effektiv stattgefunden. Wenn kein Wissen über die islamische Rechtslehre (fiqh) besteht, erscheinen auch Mängel bei anderen Themen. Außerdem versuche ich das Gelernte, mit meiner Familie zu teilen, aber jedes Mal legen sie mir Steine in den Weg und das macht mich sehr traurig. Ein anderer Grund dafür ist, dass ich in Situationen gerate, die unmoralisch sind, vor allem durch meine Ausbildung. Dies fordert, dass ich gewisse persönliche Grenzen fast überschreiten muss. Welchen Weg muss ich einschlagen, damit ich die Liebe zum Lesen und Lernen in meinem Leben umsetzen kann?
Antwort:
1- Bevor du dich selbst unter die Lupe nimmst, überprüfe zuerst dein Umfeld, denn dein Umfeld spiegelt dich wider. Dein Umfeld sind diejenigen, die dich bewusst oder unbewusst bei Themen leiten, über die du dich beschwerst. Deine Freunde, deine Verwandten, diejenigen mit denen du dich unterhältst, das was du in den sozialen Medien anschaust… All dies ist dein Umfeld. Versuche sogar, deine Telefonate mit dieser Logik zu führen.
2- Verzichte darauf, deine Familie zu kritisieren und mit deiner Familie zusammen auch deine Schule und deinen Wohnort. Schaue nicht darauf, wer sie sind oder was sie machen. Schaue auf dich selbst. Du kannst sie nicht leiten, aber du kannst dich selber leiten.
3- Dein Beruf ist ein wertvoller Beruf. Du kannst deinen Beruf auf die Stufe eines Gottesdienstes (‘ibâda) erheben. Sei jemand mit diesen hohen Zielen. Gewiss ist es nicht so, dass dein Beruf keine Probleme hat. Urteile bezüglich Moral (akhlâq) und Religion könnten dich überfordern, aber du und solche wie du werden mit der Zeit diese Probleme beheben – inschallah.
4- Betrachte deinen Körper und nehme es als Beispiel. Wie viele Jahre hat es gedauert, bis dein Körper sich entwickelt hat? Gibt es denn einen Säugling, der innerhalb von drei Tagen auf die Welt kam und sofort das Laufen lernte? Auch dein Glaube, dein guter (guter) Charakter (akhlâq), deine Gottesdienste (‘ibâdât) und deine Persönlichkeit werden sich entwickeln, wie dein Körper. Wort für Wort wirst du wachsen.
5- Nicht jeder kann voranschreiten, indem er liest. Vielleicht ist dein Verstand offener, um durch das Zuhören (akkustisch) zu lernen. Versuche die Methode des Hörens in den Vordergrund zu stellen.
6- Wenn du beispielsweise eines von drei Dingen, die du erledigen musst, nicht erfüllen kannst oder sogar zwei davon, dann vernachlässige nicht das, was du zu erledigen schaffen könntest. Tue das, was du leisten kannst. Und plane das, was du nicht machen kannst, für die Zukunft ein. Die größte Falle, die der Schaitan dir stellen kann ist, dich daran glauben zu lassen, dass du nichts leisten kannst. Glaube ihm nicht. Sei größer als der Schaitan. Versuche weiter zu denken als er.
7- Spreche besondere Bittgebete (du’â). Öffne nach den Gebeten (Salâh) deine Hände und verrichte Bittgebete für deine Lage. Mache dies ständig.
8- Suche dir einen Mentor, ein Vorbild. Dieser soll dich leiten. Es gibt auch keine Regel, dass du auf Anhieb fündig wirst. Du musst ständig auf der Suche sein. Vielleicht kann es auch sein, dass es schwierig wird jemanden zu finden, weil diese Personen sehr wertvoll sind. Siehe zu, dass du ihn/sie findest. Sei geduldig.
9- Verpasse keinesfalls deine Gebete (salâwât), denn sonst verschwindet der Segen (baraka) in deinem Leben. Sei empfindlich was deine Gebete angeht. Versuche den Qur’ân (regelmäßig) zu lesen.
10- Diese Situationen sollten nicht dazu führen, dass du in Dingen, die deine Moral (akhlâq) betreffen, nachgibst und Zugeständnisse machst. Sterbe und erwache, sterbe und erwache, aber deine Moral und deine Tugend sollten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden!
Ich bete für dich.
Nureddin YILDIZ