Frage:
Es wird oft erwähnt, dass wir in Zeiten der Zwietracht & Aufruhr (fitna) leben. Was müssen wir trotz unserer Vorkehrungen berücksichtigen?
Antwort:
Allah erschuf alle Epochen der Zeit als Mittel zur Prüfung. Jene, die 1 Jahrhundert zuvor lebten wurden geprüft, genauso wie jene, die 10 Jahrhunderte davor gelebt haben. Dies gilt ebenfalls für jene, die in Zukunft einmal leben werden. Da unsere heutige Zeit geprägt ist von schnellem Wachstum und Wandel, bekommen scharfsinnige Menschen in Sachen Zukunftsaussicht Befürchtungen. Natürlich sollte jeder mu’min wachsam sein, damit er nicht vom Glauben (’îmân) abfällt. Denn wir befinden uns nicht in der Lage, mit Sicherheit sagen zu können, „wer einmal gläubig ist, dessen ’îmân wird immer beständig bleiben.” Möge Allah, derErhabene, uns davor bewahren irrezugehen, denn der Mensch kann auch in der letzten Minute „entgleisen”. Ein intelligenter Muslim ist so vorsichtig, als hätte er in den Händen Glut zu tragen. Wenn er morgens aus dem Haus geht, so denkt er an die Rückkehr am Abend, und wenn er abends heimkehrt, so denkt er an den Austritt am nächsten Morgen. Allahs größte Segnung und Gabe (ni‘ma) ist der Glaube (’îmân). Jede Gabe kann vergänglich sein, so auch der ’îmân. Wenn wir folgenden Dingen Beachtung schenken, können wir gegenüber dem Zustand unseres ’îmân wachsamer werden:
Wir vergessen nicht, dass der ’îmân an das Verborgene (al-ghayb), die Basis des Glaubens darstellt. Da es nicht möglich ist, das Verborgene anzufassen, zu sehen und zu hören, kann eine fitna unseren ’îmân infiltrieren, indem wir die Existenz des Verborgenen (al-ghayb) hinterfragen. Dies kann unter Umständen in einen Streit über den Qur’ân und die Sunna ausarten. Wir müssen vorsichtig sein.
- Es wäre nicht richtig, unsere Sicht auf den Qur’ân mit der Aussage „gefällt mir” zu beschreiben. Wir können nicht sagen: ”Uns hat der Qur’ân sehr gefallen und deshalb glauben wir.” Es wäre sonst vergleichbar mit einem gewöhnlichen Buch, das uns im Schaufenster gefallen hat, welches wir durchblättern und uns für den Kauf entscheiden. Dies wäre für einen wahren Glauben nicht repräsentativ genug. Zu glauben, bedeutet völlige Ergebenheit. Allah, der Erhabene, sandte uns ein Buch mit dem Namen Qur’ân, und wir glauben an dieses Buch. Wenn wir nach Jahrhunderten auf jemanden stoßen, dessen Gedanken vom schaytân beeinflusst wurden und der sagt: ”Die Bedeutung dieses Verses ist eigentlich …”, müssen wir begreifen, dass wir von Angesicht zu Angesicht mit einer riskanten Prüfung konfrontiert sind. Es befindet sich im Qur’ân kein einziger strittiger Vers. Er enthält kein einziges Wort, aufgrund dessen ein Muslim sich unbehaglich fühlen sollte.
- Das Verborgene (al-ghayb) und die Zukunft kennt einzig und allein nur Allah. Wir erfüllen die uns auferlegten Pflichten und diskutieren über das Morgige nicht hin und her. Wir leisten jenen nicht folge, die zukünftigen Geschehnisse, mit aller Kraft zu deuten versuchen und in das Ungewisse verweisen. Unser Fokus ist das Jetzt. Wir denken über unsere heutigen Taten nach, unter welche Dinge wir unseren Namen setzten, werfen einen Blick zurück, ziehen Bilanz und rechnen mit uns selbst ab.
- Wir akzeptieren Erlaubtes (halâl) als erlaubt und Verbotenes (harâm) als verboten und geben Acht auf die Grenzen. In Zeiten der fitna sind die Übergänge zwischen harâm und halâl oft nicht klar erkennbar. Wir müssen wissen, dass die Möglichkeit von jeglichen Sünden fernzubleiben, nicht einmal in Betracht gezogen werden kann. Die Standhaftigkeit gegenüber den Sünden, ohne Zugeständnisse zu machen, ist gleichbedeutend wie die Verteidigung der Front. Unsere Gottesfurcht (taqwâ) muss gegenüber dem Reiz und der Anziehungskraft der Sünden immer im Vordergrund stehen. Unzucht und Zinsen sind zwei Pfeile in den Händen des schaytân und sind nun, mit einer spitzeren Feilspitze denn je, gegen uns gerichtet.
Das Fernbleiben von Sünden wie Unzucht, Zinsen und Alkohol ist möglich, indem man vorsichtig ist und nicht die Wege beschreitet, die dorthin führen. Einen Muslim, plötzlich mit einer Sünde zu konfrontieren und ihn spontan dazu zu verleiten, wäre nicht so einfach. Nach kleinen Zinsen, die sich auf kleine Cent-Beträge beziehen, folgen meist höhere Zinsen mit größeren Summen auf größeren Bankkonten. Ein Blick, der Sekunden andauert, kann nach einigen Monaten an der Tür der Unzucht klopfen.
- Wir sind uns bewusst, dass der Mangel an gottesdienstlichen Handlungen (‘ibâdât) gleich zu werten ist, wie eine Pflanze ohne Wasser, die unter der Sonne austrocknen wird. Wir versuchen der ‘ibâda gerecht zu werden. In jungen Jahren ein sorgfältiges Verständnis in der ‘ibâda ergriffen zu haben, ist ein großes Privileg. Die Krankheit, ‘ibâdât aufzuschieben, kann im späteren Alter nur schwer auskuriert werden. Pünktlich in der Moschee zu beten und bei der nächstbesten Möglichkeit unmittelbar die haddsch zu vollziehen, müssen wir zu unseren Prinzipien machen. Wir müssen es meiden, ‘ibâdât in wichtig und unwichtig aufzuteilen. Vor allem das Morgengebet (salât as-subh) in der Moschee, mit der Gemeinschaft zu verrichten, und das Nachtgebet (salât al-‘ishâ’) auf die gleiche Weise zu verrichten, bedeutet vom Morgen bis in den Abend und vom Abend bis in den Morgen, sich unter der Obhut Allahs zu befinden. Diese Wahrnehmung müssen wir einfangen. Wir müssen uns auch bewusstmachen, dass Hilfsbereitschaft eine wichtige ‘ibâda ist.
- Wir können nicht im Glauben leben, vor jeglicher Strafe geschützt zu sein. Unsere Hoffnung auf die Barmherzigkeit Allahs kennt keine Grenzen. Ein ausgeglichenes Verständnis zwischen Furcht und Hoffnung zu haben, ist für uns essentiell. Das Verständnis: „Er hat getan was er konnte“, ist genauso gefährlich wie: „Wir sind verloren.“