Frage:
Ich versuche, Ihre Vorträge und Texte stets zu verfolgen. Vor allem lege ich sehr viel Wert auf Ihre Ansichten über die Ehe. Ich bin ein 20 jähriger Student, der gleichzeitig berufstätig ist. Ich habe keine Fragen und möchte mir auch keinen Rat zu einem bestimmten Thema einholen, denn ich bin nicht jemand, der alles serviert bekommen möchte. Bevor ich etwas Frage, versuche ich meine Aufgabe selbst zu erledigen und forsche selber nach. Sie können sagen, „wenn du schon keine Frage hast und auch keinen Rat haben möchtest, warum schreibst du mir dann?“ Es ist im Moment 01:30 Uhr in der Nacht und ich habe wieder einige Ihrer Texte gelesen und habe über mein Leben nachgedacht; über mich, meine Eltern, meine Schule, meine Arbeit und noch vieles mehr. Wie so oft, bin ich auf der Suche, aber finde das bestimmte Etwas nicht (oder werde fündig, kann es aber nicht erreichen). Eigentlich habe ich nur die Absicht, meine Situation zu erläutern.
Als Jugendliche sind wir sehr motiviert, enthusiastisch, entschlossen jedoch auch betrübt. Natürlich ist dies eine Situation, die die Jugend mit sich bringt und sie werden sich in die Richtung weiterentwickeln, zu der sie geleitet werden. Allah sei Lob, denn wir sind Menschen, dessen Sorge das Bestehen Islam ist. Wir haben jedoch keine Führungsperson! Wir haben niemanden, der uns den Weg weist! Wir haben niemanden, der uns in Bezug zur Zukunft eine Orientierung bietet und uns zeigt, wie wir diesen Weg beschreiten sollten! Ich weiß, dass es auch so wertvolle Menschen gibt, wie Sie es einer sind. Es gibt viele Persönlichkeiten, Gottesfreunde (Walîyullâh) und Vorbilder, die früher lebten und deren Lebensgeschichten wir heutzutage lesen. Und vor allem gibt es unseren Propheten – Allahs Segen und Frieden auf Ihm. Mit Wegweiser meine ich aber vor allem meine Mutter und meinen Vater. Bis zu den Schul- und Ausbildungsjahren, werden unsere Jugendlichen dazu verleitet, sich nur um das Weltliche zu sorgen. Der Abschluss, das Geld und die Arbeit, werden teils auf der Stufe einer Götze vergöttert. Oftmals sind es sogar die Eltern, die zu einem solchen Denken verleiten. Die Jugendlichen denken, dass sie hungern müssen, wenn sie keinen akademischen Abschluss erreichen. Als ob es nicht Allah ist, der die Arbeit, das Einkommen bzw. die Versorgung (Rizq) gewährleistet!
Noch dazu kommt, dass sie der Wollust und dem Egoismus nicht entgegentreten, die den Jugendlichen durch die Medien eingeimpft werden. Jugendliche, die während der Schul- oder Universitätszeit auf der Suche nach sich selbst sind, versuchen dies auf eigenen Wegen. Durch wertvolle Lehrmeister, wie Sie und der Vermittlung von korrektem Wissen, versuchen die Jugendlichen, sich auf den wahren Weg zu begeben. Jedoch ist es nicht so einfach, sich von den alten Auffassungen zu lösen, welche durch die Eltern von klein auf in die Seele infiltriert wurden. Ich sage es als ein Jugendlicher, der persönlich Erfahrungen mit dieser Lage gemacht hat; es war in keiner Weise einfach, diese „Götzen“ zu zerbrechen. Es hat schlaflose Nächte und Tränen gekostet. Es hat sehr viel Kraft und Zeit gekostet, mit der erdrückenden Enge in der Brust und dem Unwohlsein fertig zu werden. Während ich in meinem universitärem Umfeld unter den banalsten und unmoralischsten Situationen Krisen durchlebe, lenkt sich meine Familie mit dem Traum ab, dass ich eines Tages ein staatlicher Beamter werde. Ich bin verwundert, denn meine Prüfungsnoten scheinen viel wertvoller (!) zu sein, als meine morgendlichen Gebete. Und dass ich eine Arbeit finde, ist wohl wichtiger als alles andere. Ich wundere mich über ihre Denkweise. Diese Lage bedrückt mich sehr.
Ich träume über Zeiten, in der ich dieselben Auffassungen wie meine Eltern teile. In meinen Träumen stelle ich mir vor, dass ich meine eigene Familie gründe und mit meiner Frau und meinen Kindern ein islamisches Leben führe. Ich spreche immer Bittgebete (Du’â) für die Zukunft. Allah ist der Großzügige (Al-Karîm), also bleibe ich geduldig. Aber diese Krisen nehmen kein Ende. Weder das Beharren meiner Eltern noch die gängigen Probleme in der Uni und auf der Arbeit nehmen ein Ende. Mit jedem Tag versinke ich mehr in mich hinein, als wäre ich mein eigener Gefangener. Je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger scheinen die Probleme zu werden. Auf diese Weise verfalle ich in Gefühle, die nicht zu beschreiben sind.
Ich spreche von hier aus die Mütter und die Väter an: Hinterlasst euren Kindern – zum Wohlgefallen Allahs – eine muslimische Lebensweise, anstatt ihnen die Vergötterung von Geld, Arbeit und Abschlüssen zu hinterlassen. Als Jugendliche wissen wir ohnehin, dass wir Geld, Arbeit und einen Abschluss besitzen müssen, aber es ist nicht nötig, diese auf die Stufe der Verherrlichung emporzuheben. Ignoriert uns nicht und schließt bitte nicht eure Augen! Nähert euch uns mit der prophetischen Erziehungsmethode und durch Verständnis. Vergleicht uns nicht mit euch selbst. Wir haben genug davon, dass ihr uns ständig eure eigenen Wünsche auferlegt und bei jeder Sache, die wir machen, einen Fehler findet. Dies entfernt uns von euch. Unser jetziges Verhalten ist das Ergebnis eures Verhaltens uns gegenüber, als wir klein waren. Wenn nun unsere Verhaltensweisen fehlerhaft sind, dann habt ihr dazu genauso beigetragen, wie wir selbst.
Um die Wahrheit zu sagen, kann ich euch Mütter und Väter nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen, warum ihr euch dazu entscheidet, ständig zu streiten oder die weltlichen Angelegenheiten euch und euren Kindern zu einer großen Sorge macht und dadurch das Leben erschwert, wobei ihr doch eure Kinder auf islamische, prophetische Weise erziehen und der Welt eine gute Generation hinterlassen könntet! Dies hat für niemanden einen Nutzen. Weder euch noch euren Kindern. Anstatt sie zu kritisieren, nur damit ihr die Oberhand behalten könnt, solltet ihr sie akzeptieren. Wenn ihr sie kritisiert, baut ihr eine Mauer zwischen ihnen und euch auf. Haltet eure Kinder nicht mit den weltlichen Sorgen auf. Bringt ihnen bei, die weltlichen Probleme, mit der islamischen Lebensmethode zu bewältigen.
Ich möchte noch folgendes hinzufügen: Bei Allah, ich würde mich am liebsten über jene Mütter und Väter beklagen, die für die Krise ihrer Kinder verantwortlich sind. Da ich jedoch den Wert kenne, den der Islam den Müttern und Vätern schenkt, bin ich leise. Weder mein Herz noch meine Zunge, wagen es zu sagen, „ich beklage mich“. Aber ich kann wohl sagen, dass ich euch allen verspreche – so Allah es erlaubt -, es anders zu machen als ihr. Ich werde die Schwierigkeiten, die ich selbst erlebe, meine Kinder nicht spüren lassen. Zuerst werde ich ihnen den Islam, den Qur’ân, unseren Propheten und sein verehrtes Leben beibringen. Ich werde ihnen – so Allah will – nicht die Sorgen dieses Lebens vererben, sondern die Religion des Islam, die ihnen lehrt, wie sie die weltlichen Probleme zu bewältigen haben.
Verbleiben Sie in Frieden.
Ein niedergeschlagener Jugendlicher, der Ihre Bittgebete (Du’â) benötigt…
Antwort:
Mein lieber Sohn,
ich habe deinen Brief gelesen. Ich mache Bittgebete für dich. Ich schreibe dir jedoch keine Antwort, denn andere Worte als die deine finde ich nicht. Ich antworte dir durch deine eigenen Worte. Ich umarme dich aus tiefstem Herzen und warte voller Sehnsucht auf den Tag, an dem du dein Versprechen einlöst. Mein lieber Bruder, ich vertraue dich meinem Herren an.
Nureddin YILDIZ