Frage:
Ich hatte in einer Moschee gebetet und sie unmittelbar nach dem Pflichtgebet (Fard-Gebet) verlassen, ohne am darauffolgenden dhikr/tasbîh und der du‘â’ teilzunehmen. Später wurde mir von jemandem gesagt, dass das ein großer Fehler gewesen war. Es wäre so, als würde ich Arbeiten ohne den Lohn dafür zu bekommen. Hat diese Person recht?
Antwort:
Der dhikr/tasbîh und die du‘â’, welches in den Moscheen nach den Gebeten (salâh) verrichtet wird, existierte zur Zeit unseres Propheten – Friede und Segen seien mit ihm – auf diese Art nicht. Viel eher ist es eine im Osmanischen Reich verbreitete Tradition gewesen. Nach dem Gebet, „Allâhumma anta-s-salâmu […]”, zu sagen, die Suren ’âyat-’al-Kursi, ’al-’ikllâs, ’al-Falaq und ’an-Nâs zu rezitieren und jeweils 33 Mal, „subhânallâh, ’al-hamduli-llâh, Allâhu ’akbar”, zu sagen, ist Sunna. Die erwähnten Gedenkformen (tasbîh/dhikr) auszusprechen, ist mit großem Lohn versehen.
Fakt ist: Der Vorbeter (Imam) betet zusammen mit der Gemeinschaft und mit dem Schlussgruß (salâm) endet das Gemeinschaftsgebet. Der Gebetsrufer (Muezzin) erledigt mit der Ausrufung des zweiten Gebetsrufes (’iqâma) ebenfalls seine Aufgabe. Jedoch ist es in der Türkei üblich, dass mit dem Gebetsende der Muezzin den oben erwähnten, restlichen Teil ebenfalls übernimmt. Da diese Tradition im Laufe der Zeit entstand und nicht in dieser Form von unserem Propheten und seinen Gefährten praktiziert wurde, darf sie in Frage gestellt werden. Dagegen zu sein, wäre nicht ganz unrichtig.
Nichtsdestotrotz ist es möglich, das Ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten: Als ʾAbû-l-Hasan ʿAlî Hasanî Nadwî, möge Allah sich seiner erbarmen, einer der angesehensten indischen Gelehrten aus dem 20. Jahrhundert, nach Istanbul zu Besuch kam und zusammen mit dem Hadîth-Gelehrten Emin Saraç in der Fatih-Moschee betete und Zeuge dieser Tradition wurde, kommentierte er wie folgt:
„Möge Allah mit den Osmanen zufrieden sein! Sie sind der Anlass für die gemeinsam geführte rituelle Gedenkform (tasbîh/dhikr). Dadurch halten Millionen von Muslime die Sunne unseres Propheten – Friede und Segen seien mit ihm – aufrecht. Somit wurde die Sunna gepflegt, die im Zweifelsfall von einzelnen Muslimen aus Bequemlichkeit vernachlässigt werden würde. Somit haben die türkischen Muslime trotz der harten Zeit, die sie zu überdauern hatten, diese Sunna nicht vergessen!“
Betrachtet man diese Aussage genauer, so wird deutlich, dass dies eine sehr unterschiedliche und sensible Sichtweise ist.
Unterm Strich ist es entscheidend, diese Sunna zu praktizieren. Wer dies mit der richtigen Absicht (niyya) mit der Gemeinschaft verrichtet, wird, so Allah will, den Lohn dafür erhalten. Dasselbe gilt für diejenigen, die es nicht mit der Gemeinschaft, sondern separat (für sich) praktizieren.